Überhöhtes
Selbstbewusstsein = Führungskompetenz? Fehlanzeige!
„Wir brauchen eine klare Linie“,
„Der muss richtig durchgreifen können“ oder
"Eine starke Führung muss her“
Sätze, die in Gesprächen und Artikeln über Führungskräfte häufig fallen. Und ich frage mich immer wieder:
Warum müssen Führungspersonen „hart“ sein, um ein Unternehmen erfolgreich zu führen?
Starten wir mal mit unserer eigenen Perspektive: Welche Eigenschaften muss dein*e Chef*in haben, damit du gerne für sie/ihn arbeitest? Damit du zu Höchstform aufläufst und beste Leistungen erbringst?
Narzisstisch, selbstbewusst und charismatisch? – Sicher sind das nicht die Merkmale, die dir zuerst einfallen. Und doch sind das genau diejenigen, die sich bei vielen Führungskräften wiederfinden. Wieso? Dachten die vielleicht zu Zeiten der Industriegesellschaft, das sei förderlich? Damals, als der Fließbandtakt alles vorgab? Ganz ehrlich: Keine Ahnung.
Was ich aber weiß: Die Zeiten haben sich geändert. Wir befinden uns mitten im Zeitalter einer Wissensgesellschaft. Heute entscheiden nicht mehr allein die Effizienz & die Produktivität über den Erfolg eines Unternehmens. Ausschlaggebend sind die besten Ideen, Flexibilität, Zukunftsvisionen und Innovationen – für Kund*innen, Mitarbeitende und Aktionär*innen. Sie alle wählen heute bewusster aus – was sie kaufen, wo sie arbeiten und in welche Unternehmen sie investieren wollen.
Hinzu kommt: Wir leben heute in einer deutlich komplexeren Welt als noch vor einigen Jahrzehnten: Globalisierung, Digitalisierung, neue Medien & neue Wettbewerber – es ist zu einer Mammutaufgabe geworden, in einem solchen Umfeld richtungsweisende Entscheidungen zu treffen. Für ein Mammut alleine ist diese Komplexität unmöglich zu überschauen. Und so richtig gefährlich wird es bekanntlich dann, wenn das Mammut die Grenzen der eigenen Kraft nicht kennt – und zwar für die ganze Herde.
Und doch scheint die Sehnsucht nach dieser einen, vermeintlich starken Führungsperson ungebrochen. Nach jemandem, der/die alles unter Kontrolle hat, streng von oben nach unten „durchregiert“, uns die Richtung weist und keinerlei Verfehlungen zeigt.
Aber mal ehrlich: Ist das realistisch?
Immer wieder bin ich erstaunt, wie weit dieser Führungsanspruch noch verbreitet ist. Ich bin erschrocken, wieviele junge Menschen ihn übernehmen. Es macht mir Angst, wie starr unsere Systeme in Deutschland sind.
Aber kommen wir zu einer möglichen Lösung. Aus meiner Sicht sollten wir viel öfter unsere eigene Wahrnehmung hinterfragen: Ist unsere Liebe zu unterhaltsamen Persönlichkeiten, die sich gut selbst inszenieren können, wirklich begründet?
Wollen wir die Weichen für unsere Zukunft wirklich von Ego-getriebenen Menschen stellen lassen, denen es vor allem um die eigene Macht und Anerkennung geht?
Versuche doch einmal, dir Angela Merkel in einem reißerischen Hollywood-Streifen vorzustellen. Schwierig? Mit gutem Grund. Denn es gibt große Unterschiede zwischen erfolgreichen Selbstdarsteller*innen und einer guten Führungskraft. Letztere zeichnen sich durch Kompetenz, Bescheidenheit und Integrität aus.
Gute Führungspersonen fördern die Entfaltung ihrer Mitarbeitenden, sie können zuhören und reflektieren, sie führen ruhig und besonnen. Sie zählen Demut und Langmut zu ihren Eigenschaften. Sie sorgen dafür, dass #NewWork nicht nur ein Hashtag bleibt. Denn sie haben verstanden, dass sich komplexe Systeme nicht mit einem Alleinherrschafts-Anspruch führen lassen. Sie wissen, dass wir die vielfältigen Herausforderungen der heutigen Zeit nur bewältigen können, wenn wir das Potential aller nutzen.
Ich, als junger Mensch der Generation Y, wünsche mir und der deutschen Wirtschaft daher, dass wir unsere Standards bei der Auswahl von Führungskräften verändern, dass wir sie endlich erhöhen – für einen nachhaltigen Erfolg und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.
Und ganz nebenei hätten wir dann auch endlich mehr Frauen in Führungspositionen.
Win-Win für alle.